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4.4.2 Inputparameter
für das DDM
Das theoretisch relativ einfache DDM bezieht seine praktischen Schwierigkeiten
hauptsächlich aus der Unsicherheit über die beiden nicht
beobachtbaren
Inputvariablen des Modells, der ex- ante geforderten Rendite der
Investoren und
den zukünftigen Dividendenwachstumsraten der Unternehmen. Will
man die
erwarteten Renditen bestimmen, werden also plausible Schätzungen
über
zukünftige Dividendenwachstumsraten benötigt.
Aber selbst über die beobachtbare Dividendenrendite als Input
der DDM lässt
sich streiten. Gesunkene Ausschüttungsraten in den letzten
Dekaden und
alternative Ausschüttungsformen, wie z.B. Aktienrückkaufprogramme
führen zu
gesunkenen Dividendenrenditen,103
die jedoch keinen Einfluss auf die Bewertung
des Unternehmens - bzw. in der aggregierten Betrachtung auf die
Bewertung des
Gesamtmarktes - nehmen sollten.104
4.4.2.1 Bestimmung des langfristigen
Dividendenwachstums
Die am meisten diskutierte Inputvariable für das DDM ist das
langfristige
Dividendenwachstum G. Historische nominale Dividendenwachstumsraten
als
Schätzer für die zukünftigen Dividendenwachstumsraten
zu verwenden, führt zu
einer systematischen Überschätzung der zukünftigen
Wachstumsraten, da die
Höhe der Inflation in den letzten Dekaden gesunken ist. Verschiedene
Autoren
bestimmen deshalb die erwartete Inflation und die erwarteten realen
Wachstumsraten der Dividenden getrennt.105
Des weiteren bezeichnet die im Gordon- Modell statische Wachstumsrate
der
Dividenden eine zeitstabile, letzten Endes auf „ewig“
realisierbare Steigerung des
Dividendenstroms. Dies impliziert, dass das Dividendenwachstum langfristig
nicht über den Wachstumsraten anderer Fundamentalvariablen
wie z.B. dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen kann. Unterstellt man nämlich
ein sehr
langfristiges (bzw. „ewiges“) Gewinn- bzw. Dividendenwachstum
eines
Unternehmens über dem langfristigen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts,
bestünde die gesamte Volkswirtschaft in endlicher Zeit nur
noch aus diesem
Unternehmen.
In der historischen Betrachtung liegt das reale Dividenden- und
Gewinnwachstum
der Unternehmen sogar deutlich unterhalb des Wachstums des
Bruttoinlandsproduktes. Tabelle 6 enthält
die realen Wachstumsraten des BIP, der
Gewinne und der Dividenden im Zeitraum von 1969-1999 in vier verschiedenen
Märkten:
Tabelle 6: Wachstumsraten des BIP, der Gewinne
und der Dividenden 1969-1999
Quelle: Arnott/ Ryan (2001), eigene
Darstellung.
Im Zeitraum von 1969-1999 lag demnach das reale Wachstum des
Bruttoinlandproduktes in den USA bei durchschnittlich jährlich
2,3%, während
das durchschnittliche Gewinnwachstum der börsennotierten Unternehmen
nur
1,4% und das Dividendenwachstum gar nur 1,1% betrug. Von Großbritannien
abgesehen wuchs das Bruttoinlandprodukt jeweils deutlich stärker
als die
jeweiligen Dividenden. Auch Dimson, Marsh und Staunton ermittelten
für den
Zeitraum von 1900-2000 in 15 von 16 betrachteten Märkten ein
niedrigeres
durchschnittliches Dividendenwachstum, verglichen mit dem Wachstum
des BIP
pro Kopf.106
Arnott und Bernstein erklären dies mit der Tatsache, dass nicht
das komplette
gesamtwirtschaftliche Wachstum von börsennotierten Unternehmen
ausgeht,
sondern ein erheblicher Teil von neuen, nicht börsennotierten
Unternehmen
beigetragen wird.107 Siegel betont,
dass das Wachstum des gesamtwirtschaftlichen
Outputs vornehmlich den Löhnen und Gehältern (also der
Arbeitsseite) zu Gute
kommt und die Kapitalseite dadurch ein weniger starkes Gewinnwachstum
aufweist.108 Das langfristig erwartete
gesamtwirtschaftliche Wachstum sollte also
eine Obergrenze für das langfristig erwartete Dividendenwachstum
darstellen.
4.4.2.2 Bestimmung der Dividenden-
und Gewinnrendite
Auch über die Dividendenrendite als beobachtbare Variable herrscht
keine
vollständige Einigkeit. Man kann argumentieren, dass aufgrund
der gesunkenen
Ausschüttungsraten der letzten Jahrzehnte und anderen Ausschüttungsformen,
wie z.B. Aktienrückkaufprogramme, die Dividendenrendite nach
unten verzerrt
ist. Deshalb wird häufig die kumulierte Gewinnrendite (E/P)
auf Aktienindizes
verwendet, 109 die jedoch auch einige
Schwierigkeiten mit sich bringt. So betont
Arnott, dass die kumulierte Gewinnrendite auf Aktienindizes aufgrund
bilanzpolitischer Maßnahmen der Unternehmen nach oben verzerrt
sein dürfte.110
Er korrigiert die gemeldeten kumulierten Gewinne der im S&P
500 gelisteten
Unternehmen um fehlende Rückstellungen für die Altersvorsorge,
die bilanzielle
Fehlbewertung von Aktienoptionsplänen für das Management
und um die
Auswirkungen der Bilanzskandale der jüngeren Vergangenheit.
Er erhält damit
eine Gewinnrendite, die ca. 30% unter der Gemeldeten liegt.
Dividendenrenditen als Input neigen also dazu die zukünftigen
Aktienrenditen zu
unterschätzen, während die Verwendung von Gewinnrenditen
eher zur
Überschätzung der zukünftigen Aktienrenditen führt.
Dennoch sind die
Unterschiede hier nicht so kritisch wie bei den Annahmen über
das langfristige
Dividenden- bzw. Gewinnwachstum. So bezeichnet Ilmanen die Spanne
der
plausiblen Schätzungen über Dividenden- bzw. Gewinnverhältnisse
auf höchstens
einen Prozentpunkt, während er die unterschiedlichen Annahmen
über die
Wachstumsrate G auf mehrere Prozentpunkte quantifiziert.111
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Info |
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[103] Vgl. Dimson/Marsh/Staunton (2002) , S.157-161.
[104] Vgl. Miller/Modigliani (1961).
[105] Vgl. z.B. Ilmanen (2003) oder Ibbotson/Chen (2003).
[106] Vgl. Dimson/Marsh/Staunton (2002), S.155.
[107] Vgl. Arnott/Bernstein (2002), S.69ff.
[108] Vgl. Siegel (1999), Kapitel 6.
[109] Verwendet man anstatt Dividendenrenditen Gewinnrenditen als
Inputparameter, muss analog
dazu natürlich die Abschätzung der langfristigen Wachstumsrate
dieser Gewinne erfolgen (anstatt
des Dividendenwachstums).
[110] Vgl. Arnott (2003). Die jüngsten Bilanzskandale in den
USA (Worldcom, Enron, Qwest,
Global Crossing, Xerox, Tyco u.a.) gaben den Anlass für diesen
Artikel. |
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